Wozu Kalorien reduzieren?
Zahlreiche Studien zeigen, dass die Reduzierung der Kalorienzufuhr, ohne dabei eine Mangelernährung zu verursachen, die gesunde Lebensspanne deutlich verlängert.
Wie viel weniger Kalorien sollte man essen?
Forscher empfehlen 25% weniger Kalorien zu sich zu nehmen als für das jeweilige Geschlecht und Alter empfohlen. Messbare Effekte können aber auch schon bei einer Reduktion um 12% nachgewiesen werden.[1] ABER: Kalorienreduktion ist hart! Let’s face it. Den wenigsten fällt es leicht, schon gar nicht ein Leben lang. Gut, dass es für den Effekt, den die Kalorienreduktion auf zellulärer Ebene bewirkt, Wirkstoffe gibt, die diesen immitieren, sogenannte Kalorienenrestriktions-Mimetika (bspw. ResveratrolWas ist Resveratrol? Resveratrol gehört zur großen Gruppe ... More oder Nicotinamid Mononukleotid).
Dass Kalorienreduzierung gesund ist, weiß man schon lange
Dass es gesund ist, den Körper auf „Sparflamme“ zu halten, d.h. sich kalorienarm zu ernähren, ist keine neue Erkenntnis. Schon Hippocrates in der Antike, der Mönch Evagrius Ponticus 400 nach Christus oder der Verfasser des ersten Ernährungsratgebers, Luigi Cornaro im 16. Jahrhundert, empfehlen eine Beschränkung der Nahrungsmittelaufnahme. Noch ohne saubere wissenschaftliche Begründung, aber immerhin mit gutem Beispiel: Cornaro veröffentlichte seinen Ratgeber „la vida sobria“ im stolzen Alter von 80 Jahren und verstarb erst mit knapp 100 Jahren.[2] Und das unter den damaligen Umständen und einer allgemeinen Lebenserwartung von 35 bis 40 Jahren.
Die Wissenschaft zum Thema Kalorienreduzierung
Wissenschaftliche Studien gibt es seit dem ersten Weltkrieg: Lafayette Mendel und Thomas Osborne, die Entdecker des Vitamin A, fanden heraus, dass Ratten, die in jungen Jahren wenig Nahrung erhielten, deutlich länger lebten als Ratten, die immer über ausreichend Nahrung verfügten.[3] Basierend auf diesem Studienaufbau zeigte Clive McCay 1935, dass Laborratten, die 20% unverdauliche Cellulose als Nahrung erhielten, deutlich länger lebten als Laborratten, die nur normale Nahrung erhielten.
In den folgenden 80 Jahren zeigten hunderte von Studien, dass die Lebenserwartung bei Lebensformen mit kalorienreduzierter Ernährung (aber ohne Mangelernährung) deutlich steigt. Dies funktioniert bei Hefepilzen, Fruchtfliegen und Mäusen.[4] Das legt nahe, dass der zugrunde liegende genetische „Plan“ fast so alt wie das Leben selbst ist.
1978 machte der Biologe Yasuo Kagawa eine interessante Entdeckung: Schulkinder auf der Insel Okinawa erhielten über 20% weniger Kalorien als die Schulkinder im restlichen Japan. Er fand heraus, dass auch die Erwachsenen auf Okinawa rund 20% weniger Kalorien zu sich nahmen als ihre Landsleute. Und dass sie signifikant schlanker waren und länger lebten. Zudem waren sie auch deutlich länger gesünder, mit signifikant weniger Herz- und Kreislauferkrankungen.[5]
1993 lieferte das Forschungsprojekt „Biosphere 2“ weitere Beweise. Acht Probanden lebten zwei Jahre unter einer abgeschotteten Kuppel in Arizona und mussten sich von dem ernähren, was sie anbauten. Die Erträge waren nicht sonderlich üppig. Es kam zwar nicht zur Mangelernährung, aber die Probanden litten oft Hunger. Körperliche Veränderungen, die aus Tierversuchen mit Kalorienreduktion bekannt sind, konnten auch an den Probanden festgestellt werden. Insbesondere die Reduktion von Körpermasse (15-20%), Blutdruck (25%), Blutzuckerspiegel (21%) und Cholesterinspiegel (30%).[6]
2017 wurde an der Duke University ein Experiment mit 145 Probanden durchgeführt, die 25% weniger Kalorien zu sich nehmen sollten, als für einen gesunden Lebensstil empfohlen werden. Aber da dies schwierig durchzuhalten ist, lag der Durchschnitt nach zwei Jahren bei nur 12% Kalorienreduktion. Allein das war genug für eine signifikante Verbesserung der Gesundheit sowie von Biomarkern, die auf eine Erhöhung der Lebenserwartung hinweisen. [7]
Was den Menschen angeht, können wir nur von kurzfristigen Studien auf eine lebenslange Kalorienreduktion schließen. Aber es gibt ja noch unsere nahen Verwandten. Eine seit den 1980ern laufende Studie zur Kalorienreduktion mit Rhesusaffen lieferte interessante Ergebnisse: Vor der Studie lag das bekannte maximale Lebensalter eines Rhesusaffen bei 40 Jahren, das Äquivalent zu 120 Menschenjahren. Von 20 teilnehmenden Affen überschritten jedoch sechs dieses magische Alter. Hinzu kam, dass einige Affen dieses Alter erreichten, obwohl sie erst in mittleren Jahren auf eine kalorienreduzierte Ernährung gesetzt wurden.[8]
Bei Mäusen funktioniert die Verlängerung der Lebenserwartung auch noch, wenn sie mit 19 Monaten auf eine kalorienreduzierte Ernährung gesetzt werden. Das entspricht einem menschlichen Alter von ca. 60 bis 65 Jahren. Allerdings sind die Ergebnisse um so besser, je früher mit der Kalorienreduktion begonnen wird.[9]
Verweise
[1] D. W. Belsky, K. M. Huffman, C. F. Pieper, et al., “Change in the Rate of Biological Aging in Response to Caloric Restriction: CALERIE Biobank Analysis,” Journals of Gerontology, Series A: Biological Sciences and Medical Sciences 73, no. 1 (January 2018): 4–10, https://academic.oup.com/biomedgerontology/article/73/1/4/3834057
[2] L. Cornaro, Sure and Certain Methods of Attaining a Long and Healthful Life: With Means of Correcting a Bad Constitution, https://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=dul1.ark:/13960/t0dv2fm86&view=1up&seq=7
[3] T. B. Osborne, L. B. Mendel, and E. L. Ferry, “The Effect of Retardation of Growth upon the Breeding Period and Duration of Life of Rats,” Science 45, no. 1160 (March 23, 1917): 294–95, science.sciencemag.org/content/45/1160/294
[4] I. Bjedov, J. M. Toivonen, F. Kerr, et al., “Mechanisms of Life Span Extension by Rapamycin in the Fruit Fly Drosophila melanogaster,” Cell Metabolism 11, no. 1 (January 6, 2010): 35–46, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2824086/
[5] Y. Kagawa, “Impact of Westernization on the Nutrition of Japanese: Changes in Physique, Cancer, Longevity and Centenarians,” Preventive Medicine 7, no. 2 (June 1978): 205–17, https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/0091743578902463
[6] R. L. Walford, D. Mock, R. Verdery, and T. MacCallum, “Calorie Restriction in Biosphere 2: Alterations in Physiologic, Hematologic, Hormonal, and Biochemical Parameters in Humans Restricted for a 2-Year Period,” Journals of Gerontology, Series A: Biological Sciences and Medical Sciences 57, no. 6 (June 2002): 211–24, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/12023257
[7] D. W. Belsky, K. M. Huffman, C. F. Pieper, et al., “Change in the Rate of Biological Aging in Response to Caloric Restriction: CALERIE Biobank Analysis,” Journals of Gerontology, Series A: Biological Sciences and Medical Sciences 73, no. 1 (January 2018): 4–10, https://academic.oup.com/biomedgerontology/article/73/1/4/3834057
[8] J. A. Mattison, R. J. Colman, T. M. Beasley, et al., “Caloric Restriction Improves Health and Survival of Rhesus Monkeys,” Nature Communications, January 17, 2017, https://www.nature.com/articles/ncomms14063
[9] Y. Zhang, A. Bokov, J. Gelfond, et al., “Rapamycin Extends Life and Health in C57BL/6 Mice,” Journals of Gerontology, Series A: Biological Sciences and Medical Sciences 69, no. 2 (February 2014): 119–30, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/23682161/